Anerkennung  »Sie möchten also gern der Genius des brasilianischen Volkes werden?« erkundigte sich der Richter ironisch.

»De facto bin ich es schon, aber ich möchte es auch de jure werden und offiziell von der Brasilianischen Akademie der Geisteswissenschaften dazu erklärt werden. Wenn ich in diesem Prozeß verurteilt werden sollte, werde ich zwei Kopien von meinen Aussagen anfertigen lassen und die eine an das Bundesverfassungsgericht schicken und die andere an die Akademie, damit die Unsterblichen mir offiziell den Titel verleihen, und wenn sie es auch nur deshalb tun, weil ich eine neue literarische Gattung geschaffen habe, den ›heroisch-brasilianischen, iberisch-abenteuerlichen, kriminologisch-dialektischen und tapuia-rätselhaften Roman aus Scherz und Lotterleben, legendärer Liebschaft und epischem Sertão-Rittertum‹.«

»Dom Pedro Dinis Quaderna, weder ich noch Dona Margarida wollen Sie entmutigen, nicht wahr, Dona Margarida? Aber glauben Sie wirklich, Sie hätten die Voraussetzungen dazu, daß Ihnen die Brasilianische Akademie offiziell diesen Titel zuspricht?«

»O doch, Herr Richter. Zunächst einmal deshalb, weil ich der echteste Repräsentant unseres Volkes bin. Samuel ist nur ein gotischer Iberer, wie er sich selber ausdrückt. Clemens ist nur ein Tapuia-Neger. Beide sind sie aber an dem Tage, an dem sie meine Ahnentafel überprüften, zu dem Schluß gelangt, daß ich alle erdenklichen Blutmischungen in mir hätte, darunter sogar ein paar Tropfen Neger- und Zigeunerblut. Ew. Ehren haben mir vorhin bewiesen, daß ich als Paraibaner mit einem Stummelschwanz jüdisches Blut in mir habe. So bin ich der einzige Schriftsteller und Schreiber Brasiliens, in dessen Adern unverfälschtes arabisches, gotisches, jüdisches, suebisches, berberisches, phönizisches, lateinisches, iberisches, karthagisches, trojanisches und außerdem Tapuia-Neger- und Madegassenblut der brasilianischen Rasse fließt. Da ich überdies mit Hilfe des ›Scharaden-Almanachs‹ und der ›Rhetorik-Postillen‹ sorgfältig das Rezept studiert habe, wie man geniale Werke verfaßt, bin ich zu dem Schluß gekommen, daß die einzige wirklich unaufklärbare und vollständige Geschichte, die alle Bestandteile eines Volksmeisterwerks besitzt, das schreckliche Abenteuer Sinesios des Strahlenden ist. Wenn mein Werk beendet und gebührend in Verse umgegossen worden ist, wird es in der Welt der einzige Cangaceiro-, Wegelagerer- und Ritterroman sein, den ein Dichter des Paktes, der Erinnerung, der Inspiration, des Blutes, der Wissenschaft und des Planeten verfaßt hat. Nun war aber Sinesio eine Art von ›João Richtungslos‹, einer kriegerischen Fürstengestalt des Volkssängers Natanael de Lima aus unserem Nordosten. Deshalb kann niemand die Geschichte von Sinesio richtig erzählen, niemand weiß, welches denn eigentlich seine wahre Richtung und sein wahres Schicksal war, derart daß niemand außer mir sie erzählen und also auch niemand außer mir der wahre Genius des brasilianischen Volkes werden kann.«   - (stein)

 

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