ndere, Das  Tim war in Sicherheit. Er blieb stehen und verbrachte einen langen Moment damit, das Andere gründlich unter die Lupe zu nehmen. Das war seine Chance, mehr über es zu erfahren. Ein Raum trennte die beiden, den nur das visuelle Bild und der Duft - kleine verdampfte Partikel - des Anderen durchquerten.

Es war nicht möglich, dieses Andere zu identifizieren; viele waren sich so ähnlich, daß sie wie Vervielfältigungen derselben Einheit wirkten. Doch manchmal unterschied das Andere sich radikal. War es denkbar, daß vielerlei Möglichkeiten ausprobiert wurden, •wechselnde Versuche, Kontakt herzustellen?

Wieder kam ihm dieser Gedanke. Die Leute im Wohnzimmer, sowohl Norm- als auch Psi-Klassen - und sogar die Mutisten-Klasse, der er angehörte -, schienen eine erträgliche Pattsituation mit ihren eigenen Anderen erreicht zu haben. Es war seltsam, denn ihre linken Anderen mußten weiter sein als sein eigener... es sei denn die Anzahl von rechten nahm ab, während die Gruppe der linken größer wurde.

Gab es eine endliche Anzahl von Anderen?  - Philip K. Dick, Ein universales Talent. In: Ders., Foster, du bist tot. Sämtliche Erzählungen Bd. 6. Zürich 2001 (zuerst 1954)

Andere, Das  (2)  Die Literaturwissenschaftlerin Helga Arend widmete sich vor ein paar Jahren in einem Aufsatz der „Frau als Vogel“ und befand: „Vögel stehen für den Bereich, der jenseits der erfahrbaren Realität liegt. So wie der Vogel diese Fremdheit versinnbildlicht, steht die Frau für das Andere schlechthin.“ - TAZ,  Katrin Gottschalk

Andere, Das  (3)  Nachdem ich gut drei Wochen damit verbracht hatte, mich ganz in die Möglichkeit einer Neudefintion des Anderen hineinzuknien, nur um mich im Gegenzug erneut mit der Offenbarungslehre Schellings auseinanderzusetzen, kam mir eines Nachts, ich hatte nicht gerade wenig getrunken und saß mit einigen Kommilitonen in einer der damals noch existierenden inoffiziellen Bars, die sich hinter den mit Brettern vernagelten Eingängen der Häuserruinen im Norden der Stadt befanden, der entscheidende Gedanke. Die strenge Geschlechtertrennung innerhalb der Universität, bei der es nur selten zu Begegnungen mit weiblichen Kommilitoninnen innerhalb der Seminarräume und Lesesäle kam, ließ mir kurzerhand, und dies vor allem in meinem tatsächlichen und realen Leben, die Frau als das Andere an sich erscheinen. Dies aber war mir so gewöhnlich, so normal, dass, wenn ich auf die Tatsache vertrauen wollte, Levinas beschreite einen neuen Weg dem Anderen gegenüber, es nur einen wirklich radikal neuen Ansatz geben konnte: Das Andere muss-te als Mann gedacht werden. Ich war auf dem Weg zur Toilette, nichts weiter als einem Raum mit eingefallener Decke und herausgerissenen und wahrscheinlich verfeuerten Bodendielen, in dem jeder irgendwohin seine Notdurft verrichtete, als mir dieser Gedanke in meinen vom Alkohol schweren Kopf schoss. Diese Kloake stank so furchterregend, dass es mir den Atem verschlug und ich froh war, als mir endlich der Geruch des eigenen Urins in die Nase stieg. Ich lebte in einer Gesellschaft von Männern, in einer Gesellschaft von Fremden, weit entfernt von meiner Familie, meiner Mutter, meinen Schwestern, meinen Tanten. Ich konnte in diesem Moment bestimmt nicht mehr klar denken, aber ich wusste mit Sicherheit, dass dieses Andere, nämlich die Frau, von Levinas durch den Mann ersetzt worden war. Dies aber war nur der erste Schritt. Ich knöpfte meine Hose zu und ging nach draußen und zurück in den verqualmten Schankraum. Illegal, wie die Kneipe war, stand nicht einmal eine weibliche Bedienung hinter der Theke. Alles, was ich sah, waren rotverschwitzte Männerköpfe, die erhitzt vor sich hin lallten und einander zuprosteten. Ich versuchte, mich zu sammeln. Wenn Levinas aber den Platz des natürlichen Anderen, der Frau, durch den Mann ersetzt hatte, so nicht, um mir einen Spiegel zu geben, nicht um mich dem Bruder, dem Vater, dem Saufkumpan gegenüberzusehen, denn diese hätten kaum für einen Anderen getaugt, sondern um mich selbst zur Frau zu machen. Darin lag die Radikalität von Levinas' Gedanken. Darum ging es und um nichts anderes. Weil das Andere mir gleicht, verändert es mich selbst zum radikal Anderen von sich.1 Weil das Andere das Gleiche ist, werde ich zu seinem Anderen. Ich selbst werde Frau.

1 »Jeder ist der Andere und Keiner er selbst«, schreibt Heidegger in Sein und Zeit, 1927, S. 128. Wobei mir der Witz einfällt von Keiner, Niemand und Doof, die alle drei im selben Haus wohnen und eines Tages aus dem Fenster schauen. Keiner spuckt Doof, der im Parterre lebt, auf den Kopf. Der ruft daraufhin die Polizei an und sagt: »Keiner hat mir auf den Kopf gespuckt, und Niemand hat's gesehen.« Worauf ihn der Beamte fragt: »Sind Sie doof?« »Ja, höchstpersönlich.« Wittgenstein meinte, es sei möglich, ein philosophisches Werk zu verfassen, das ausschließlich aus Witzen besteht, dabei aber ernsthaft und keineswegs albern ist. Könnte man unter diesem Aspekt Heidegger vielleicht neu lesen bzw. umschreiben?

- (raf)
 

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