Altweibergeruch   Studer wandte sich um und sah einen flachen Schreibtisch, eine Couch, drei Stühle; an der Wand das Telephon. Er durchquerte den Raum, gelangte in die korridorartige Küche. Die beiden Hähne des Rechauds waren geöffnet, das Gas pfiff aus den Brennern. Gedankenlos schloß Studer diese Hähne. Es war nicht sehr einfach, denn ein Lehnstuhl stand im Wege, mit grünem Sammet überzogen. In ihm saß eine alte Frau, sonderbar friedlich, gelöst und schien zu schlafen. Die eine Hand ruhte auf der Armlehne, der Wachtmeister ergriff sie, tastete nach dem Puls, schüttelte den Kopf und legte die kalte Hand vorsichtig auf das geschnitzte Holz zurück.

Winzig war die Küche wirklich. Anderthalb Meter auf zwei, ein Korridor eher. Über dem Gasrechaud hing an der Wand ein Holzgestell. Blechdosen - ehemals weiß emailliert, jetzt gebräunt, die Glasur abgestoßen: »Kaffee«,

»Mehl«, »Salz« ... Alles war ärmlich. Und durch den leichten Gasgeruch, der noch zurückblieb, stach deutlich ein anderer: Kampfer...

Es roch nach alter Frau, nach einsamer, alter Frau ...

Es war ein ganz bestimmter Geruch, den Studer kannte; er kannte ihn aus den winzigen Wohnungen in der Metzgergasse, wo es hin und wieder einer alten Frau zu langweilig wurde oder zu einsam und sie dann den Gashahn aufdrehte.  - Friedrich Glauser, Die Fieberkurve. Zürich 1989 (zuerst 1937)

Weib, altes Geruch

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