lterchen
Als sie fand, daß seine Nase ungeputzt war, holte sie sein Taschentuch
aus dem Koffer und rieb Kakadu damit ab. Kakadu verstand nichts von dem, was
um ihn vorging, er fühlte nur ein Brausen vor seinen Ohren, manchmal besaß er
einen Augenblick das Bewußtsein, daß sich seine Lebensweise geändert hatte und
griff mit den Armen die Luft, wie ein rachitisches Kind — dann aber wurde er
so müde, so müde wurden seine Augenlider, und die Haare schmerzten so an seinem
Kopfe, daß er aufs Bett fiel, den Mund öffnete und blockte. Jamaika überlegte,
wie sie Kakadu verändern könnte, so daß er sie nicht in Gefahr bringen würde.
»Kakadu,« rief sie streng. Der Mann rührte sich nicht. »Na,« sagte sie mit dem
Tonfall Butterwegs, »wenn du nicht willst, mein Bürschchen, mußt du eben gezwungen
werden.« Sie nahm eine Nagelschere und schnitt damit die Haare bis auf die Wurzeln
ab, so daß er aussah wie ein Verbrecher. Man wunderte sich über die niedrige
Stirn, die schweren zusammengewachsenen Brauen, die fabelhaften Jochbeinbögen.
Dann band Jamaika dem Mann einen Kragen um und knotete ihm einen roten Schlips.
Sie betrachtete ihn und überlegte, daß er so noch nicht gut aussehe. Es fehlte
noch etwas. Er mußte noch kindlicher und angenehmer gemacht werden. Dann kam
sie auf die Idee, ihm die Hosen unter den Knien abzuschneiden. Er glich jetzt
fast einem Knaben, der dicke Kopf kontrastierte seltsam mit den kurzen Beinen,
er erinnerte an die Wechselbälge, die durch den
Schornstein fallen und quäken. Jamaika nahm ihn beim
Ohr: »Alterchen, nun hübsch artig sein. « -
Richard Huelsenbeck, Verwandlungen. München 1918
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