DIE KLEINEN ALTEN
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In alten städten in winkliger viertel nähe Wo alles · sogar
das entsetzen · in zauber sich kehrt Gehorch ich meinen verderblichen
launen und spähe Nach wesen seltsam bestrickend · schwach und
verzehrt.
Einst waren es frauen · die zerrbilder aufgerieben · Epona
und Laïs! zerrbilder verschlissen krumm Verschrumpft – es sind
noch seelen · wir müssen sie lieben! In ihren durchlöcherten
kleidern kommen sie stumm
Die strasse einher von den boshaften winden geschlagen Im
rollenden lärme der wagen zitternd geknickt Und wie ein heiliges
überbleibsel tragen Sie bei sich ein säckchen mit blumen und
schnörkeln bestickt.
Sie trippeln ähnlich wie die Polichinellen · Sie schleppen
sich wie verwundete tiere fort Und ohne zu wollen tanzen sie
– arme schellen Daran sich ständig ein dämon hängt! so verdorrt
Sie auch sind: ihre stechenden augen bestricken Und glitzern
wie ruhende wasserhöhlen bei nacht Und sind wie die eines mädchens
mit göttlichen blicken Das alles bestaunt und zu allem erglänzenden
lacht.
– Habt ihr bemerkt: manche särge der alten waren Wie die eines
kindes – beinah ebenso klein? Der weise tod legt in diese gleichheit
der bahren Ein sinnbild von seltsam ergreifender laune hinein.
Und seh ich an mir vorüber eins von den matten Gespenstern
durch das wimmelnde treiben fliehn So scheint es mir immer dass
diese gebrechlichen schatten Ganz leis einer neuen wiege entgegenziehn.
Ich denke dann über die messkunst nach und ich zähle Vom anblick
dieser verschrobenen glieder erfasst Wie oft der handwerker andere
formen wol wähle Damit die kiste für jeden der körper passt.
–
Und brunnen sind ihre augen · tief unabsehlich · Sind tiegel
beschlagen mit einem erkalteten erz · Und voll von geheimnissen
fesseln sie unwiderstehlich Den der erzogen wurde vom grausamen
schmerz ·
2
Des alten Frascati liebende priesterinnen · Thaliens töchter
deren allein noch im sarg Der flüsterer denkt · und berühmte
verschwenderinnen Die Tivoli ehmals in seinen blumen barg:
Sie alle berauschen mich · unter den zarten gestalten Sind
aber auch solche die machten zum honig den schmerz: Sie sagten
zum opfermut: willst du uns aufrecht halten? Mächtiges flügelross
· flieh mit uns himmelwärts!
Die eine im leiden geübt durch die heimatsonne Die andre die
ihres gatten qualen ertrug Die dritte des kindes willen durchbohrte
madonne – Sie hätten um ströme zu bilden der thränen genug.
3
Wie manchen bin ich gefolgt von den kleinen alten! Von ihnen
eine · zur zeit als die sonne sank Und sich der himmel hüllte
in blutige falten – Gedankenvoll sass sie abseits auf einer bank
Dem klang der soldatenmärsche zu folgen der bebend Von pauken
zuweilen durch unsere gärten gellt Und der · an abenden golden
und wiederbelebend · Mit heldenmut etwas die herzen der bürger
schwellt.
Sie also (noch kräftig sich fühlend trotz ihrer jahre) Sog
gierig ein die lebhaften kampf-melodien. Mit ihrem auge glich
sie dem alten aare · Ihr marmornes haupt für den lorbeer geschaffen
schien.
So ziehet ihr klaglos dahin mit stoïschen stirnen Inmitten
unserer lebenden städte schlund · Ihr mütter mit blutendem herzen
ihr frommen ihr dirnen Ihr deren name vor zeiten in aller mund.
Euch die man die pracht genannt und die schönheit der erde Euch
kennt nun keiner. ein betrunkener schlüpft An euch vorüber mit
höhnischer liebesgeberde · Ein boshafter knabe hinter den fersen
euch hüpft.
Geduckten ganges euch schämend mit furchtsamem blicke · Verschrumpfte
gestalten die ihr an die mauern streift · Euch achtet keiner
· seltsame geschicke · Ihr trümmer von menschen die ihr für die
ewigkeit reift!
Ich aber schaue auf euch von fernem · nicht minder Besorgt
und auf euren schwankenden schritt – Wie wundersam! als wäret
ihr all meine kinder · Ich fühle · euch unbekannt · heimliche
freuden mit.
Ich sehe wie eure jungfräulichen triebe sich künden · Ich
sehe die frohzeit und das verlorene glück. Mein herz wie vervielfacht
ergeht sich in all euren sünden Und all eure tugenden strahlt
meine seele zurück.
Ihr trümmer! ihr schwestern! mir verwandte schaaren! Ich nehme
feierlich abschied von euch jeden tag. Wo seid ihr morgen · ihr
Even von hundert jahren Auf denen Gottes entsetzlicher finger
lag?
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