kt     Saul Steinberg / Der Akt der Letter

Die Paarung der Letter ist hier eher komisch als erotisch. Sie haben sich aus den Wörtern fortgestohlen, oder sie waren noch gar nicht im Wort. Daher ihre Unbeholfenheit.

A scheint mir zu vorschnell. Treibt sein linker Balken sich nicht wie ein Keil in die Hüfte B's? Weiß B, was es da empfangt? Hätte A nicht als ein anderer erscheinen können, als a nämlich, rund und geschmeidig? Oder kann es nicht anders als sein Typograph es wollte: eckig und spitz? B indes versteckt seine Kanten im Kissen. Als wollte es nicht allzu hervorstechen. Das willenlose Empfangende? Oder sind B's Waffen gerade seine Wölbungen?

Aber wer hat nicht sofort A die männliche und B und die weibliche Rolle zugeteilt?!

Leser sind Voyeure. Ihre Lustobjekte sind die Letter. Berauscht verfolgen sie deren Konstellation im Text. Die Vokale und Konsonanten aber, wie die Insekten, führen ein unentdecktes Eigenleben, entziehen sich der ästhetischen Kategorie. So könnte ich A und B in ihrem Akt neu begreifen lernen. Und sollte meine Phantasie nicht ausreichen, sie mir im Dunkel vorzustellen, wie sie unbeobachtet die Metamorphose vollziehen: sie treten aus ihrer lustlosen Form und werden chinesische Schriftzeichen oder geschwungener arabischer Buchstab. Oder sie träumen sich als Anfang und Beginn so kostbarer Wörter wie Atem oder Baum. Wie alle Wesen sind sie es leid, bloßes Gebrauchsobjekt zu sein. Sie fordern die Sinnlichkeit ihrer Benutzer.

Viele meiner Fragen bleiben ungeklärt. Warum beispielsweise gebärden sich die Letter so überaus menschlich und benutzen ein Bett? Oder wäre das gerade ihre befreiende Loslösung vom Alltag?   - Bettina Wassmann, nach (abc)


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