hnen  Die Ahnen der Zulus werden zu Schlangen und gehen unter die Erde. Es sind aber nicht, wie man etwa meinen könnte, mythische Schlangen, die man nie zu Gesicht bekommt. Es sind wohlvertraute Arten, und sie tummeln sich gern in der Nähe der Hütten umher, die sie auch oft betreten. Manche dieser Schlangen erinnern in körperlichen Eigenheiten an ganz bestimmte Ahnen und werden von den Lebenden als diese erkannt.

Sie sind aber nicht nur Schlangen, denn in Träumen erscheinen sie den Lebenden in ihrer menschlichen Gestalt und sprechen zu ihnen. Man wartet auf diese Träume, ohne sie wird das Dasein den Menschen unbehaglich. Sie wollen mit ihren Toten sprechen, es liegt ihnen daran, sie in ihren Träumen hell und klar zu sehen. Manchmal trübt sich das Bild der Ahnen und wird dunkel; dann muß man durch bestimmte Riten dafür sorgen, daß es wieder klar wird. Von Zeit zu Zeit, aber ganz besonders bei allen wichtigen Gelegenheiten, werden ihnen Opfer dargebracht. Man schlachtet ihnen Ziegen und Ochsen und ruft sie auf feierliche Weise herbei, damit sie davon genießen. Man nennt sie laut bei ihren Ruhmestiteln, auf die sie großen Wert legen; sie sind sehr ehrliebend, und es gilt als beleidigend, diese Ruhmestitel zu vergessen oder zu verschweigen. Das Tier, das geopfert wird, soll laut aufschreien, damit sie es hören, die Ahnen lieben diesen Schrei. Schafe, die stumm sterben, sind darum als Opfer nicht zu gebrauchen. - (cane)

Ahnen (2)  Die Wandjina  sind starke Helden, die vom Meer kommen und sich mit ihrer Gefolgschaft in den Stammesterritorien der Ungarinyin, Worora und Wunnambul niederließen. Nach ihrem Tode wurden sie zu Felsbildern in den Höhlen. Ihr Geist verteilte sich auf die benachbarten Teiche und Quellen, die seither die präexistenten Seelen der Clane in sich bergen. Jeder Clan hat eine oder mehrere solcher Ahnen-Galerien.

In Südaustralien wiederum kennt man am besten Ngurunderi  sowie Nepali, Daramulan und Baiame. In Zentralaustralien und der Western Desert wanderten die göttlichen Ahnen über weite Strecken und berührten dabei viele Stämme, die folgerichtig jeweils die entsprechenden Teilepisoden des Gesamtmythos' besitzen. In dieser Gegend sind der rote Känguruhmann zuhause, die Zwei Männer (goannas), das Opossum, die Bergteufelfrauen, die Honigameise und die Rattenmänner. - Märchen aus Australien. Traumzeitmythen der Aborigines. Hg. Anneliese Löffler. München 1992

Ahnen (3)  Sehnte sie sich nach ihren Ahnen? Ja, aber nicht mit ihnen zu sein, sondern bloß so einen Augenblick bei ihnen vorbeischauen zu können, sie zu trösten, sich bei ihnen zu bedanken und, mit einem Schritt zurück in den gebührenden Abstand, sie anzubeten.

Und inzwischen waren diese Vorfahrenumrisse kraftlos geworden. Und auch das hatte sich ganz allmählich ereignet. Ihre verehrten Toten, so sah sie es eines Sommeroder Wintermorgens, waren Teil der zigmilliarden seit dem Beginn der Zeiten in das Erdreich versickerten, hinweggesinterten, verkrümelten oder in sämtliche Windrichtungen verpufften Nichtmehrvorhandenen, Niewiederzurückrufbaren, von keiner Liebe mehr Wiederbelebbaren, in alle Ewigkeit unersehnbar Gewordenen. Wohl agierten sie noch, wie früher, ab und zu in den Träumen, aber bloß so im Gewimmel, unter »ferner liefen«: dieses Ab und Zu hatte, anders als früher, nicht mehr die Bedeutung von »zu allen heiligen Zeiten«.

Und auch dieser zweite Tod ihrer Vorfahren war ihr dann, wie zuvor das aus ihr entschwundene kleine und große Geburtsland, recht. Die Kräfte, die sie lange Zeit weniger aus dem ganzen Land als aus den kleinen Landbruchstücken, weniger aus einem geglückten ganzen Leben eines Ahnen (es gab freilich nicht einen einzigen dieser Art) als aus dem Unglück und dem einsamen Sterben (das galt für alle ihre Vorgänger) bezogen hatte, erschienen ihr inzwischen erschwindelt. Solche Kräfte, fragte sie sich, machten sie nicht tyrannisch und rücksichtslos? Wirkten zu Lasten derer, mit denen man jetzt war, lebte, arbeitete, umging, jetzt in der Gegenwart? Solche Kräfte waren begleitet von einer Art Hoffart, welche die Tage wie auch die Nächte der Zeitgenossen, der einem so oder so nah kommenden, behindern, ja beschädigen, ja zerstören konnte? Ihre Ahnenverehrung losgeworden, wurde sie frei für andere Kräfte? Impulse? Nein, so ganz recht war ihr das Bedeutungslos- und Unscheinbarwerden der Vorfahren trotzdem nicht. Sie ließ es eher, Bitterkeit nicht nur auf der Zunge, geschehen. - Peter Handke, Der Bildverlust. Frankfurt am Main 2002

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