Affenschwanz  Ein Mann erlegt nach lange erfolgloser Jagd eine Brülläffin. Er übernachtet im Wald, schneidet der Äffin den Schwanz ab und ißt ihn gebraten. Am nächsten Tag hatte er viel Erfolg, aber als er zurückkam, war da eine Frau in seiner Hängematte. Die Äffin, die er auf das Bratrost gelegt hatte, war fort. Sie wurde bald seine Frau, aber erst viel später gab sie zu, als sie schon sehr glücklich waren, daß sie selbst die Äffin war, wie er es vermutet hatte, da sie gekrümmte Finger hatte. Aber er sollte niemals darüber sprechen. Sehr bald darauf gingen sie in die Heimat des Mannes, niemandem wurde ihr Name verraten und sie lebten sehr glücklich. Eines Tages sagte die Frau, ihr vornehmster Verwandter gäbe den Brüllaffen ein Trinkfest. Sie wollte hin. Er ging mit und konnte leicht seinen Weg über den Pfad der Brüllaffen finden. Sie kamen an ein großes Haus, es wurde sehr viel getrunken, und dabei verriet der Mann ihr Geheimnis. Im gleichen Augenblick war alles verschwunden. Er saß allein auf einem Baum und konnte nicht hinunter.  - Ernst Fuhrmann, Das Tier in der Religion. München 1922

Affenschwanz (2) Während Gott noch beschäftigt war, die Wunde wieder zu schließen, und die kostbare Rippe, die neben ihm auf dem Boden lag, eine Sekunde aus den Augen ließ, nahm sie ein von Eblis geschickter Affe (Kerd) rasch an sich und verschwand damit im Dickicht eines nahen Waldes. Der über diesen Streich ziemlich erboste Schöpfer befahl einem seiner Engel, das Tier zu verfolgen. Dieses flüchtete sich zwischen immer undurchdringlicheres Gezweig. Schließlich bekam es der Engel am Schwanz zu fassen, doch dieser Schwanz blieb ihm in der Hand und war alles, was er seinem Herrn zurückbringen konnte, zum großen Gelächter aller Anwesenden. Der Schöpfer betrachtete ihn mit gelinder Enttäuschung: »Nun gut«, sagte er, »da wir nichts anderes haben, wollen wir versuchen, das beste daraus zu machen.« Und dann verwandelte er, vielleicht unüberlegt einer Selbstüberschätzung des Künstlers nachgebend, den Affenschwanz in eine Gestalt, die äußerlich zwar schön, im Innern aber voller Tücke und Lasterhaftigkeit war.   - Gérard de Nerval, Reise in den Orient. München 1986 (zuerst 1851)

Affenschwanz (3) Zwielicht machte lediglich den Fuß oder den Sockel irgendeiner riesigen und leeren Architektur sichtbar. Unmittelbar vor mir war etwas, das wie ein Gebirge aussah. Ich gestehe, daß ich fast über die große steinerne Plattform stürzte, auf die ich herausgekommen war, als ich. erkannte, daß es sich um ein Götzenbild handelte. Und am schlimmsten, es stand mit dem Rücken zu mir.

Es war kaum menschenähnlich, kam mir vor; jedenfalls wenn ich nach dem kleinen platten Kopf urteilte, und mehr noch nach einem Ding wie einem Schwanz oder einem zusätzlichen Glied, das hinten hochstand und wie ein ekelhafter Riesenfinger auf ein Symbol hinwies, das in die Mitte des weitläufigen steinernen Rückens eingegraben war. Ich hatte in dem matten Licht begonnen, nicht ohne Schrecken an der Hieroglyphe herumzurätseln, als etwas noch Schrecklicheres geschah. Eine Tür öffnete sich lautlos in der Tempelwand hinter mir, und ein Mann kam heraus mit braunem Gesicht und schwarzer Jacke. Er hatte ein eingraviertes Lächeln in seinem Gesicht aus kupfernem Fleisch und elfenbeine-nen Zähnen; aber ich glaube, das Widerlichste an ihm war seine europäische Kleidung. Ich war, glaube ich, auf verhüllte Priester oder nackte Fakire vorbereitet. Das aber schien zu bezeugen, daß Teufelswerk die ganze Erde erobert habe. Wie ich dann herausfand, war es auch so.

»Wenn du nur des Affen Fuß gesehen hättest, sagte er mit stetem Lächeln und ohne weitere Vorrede, >wären wir sehr milde gewesen - du wärest nur gefoltert und getötet worden. Wenn du des Affen Antlitz gesehen hättest, wären wir immer noch sehr maßvoll, sehr tolerant gewesen - du wärest nur gefoltert worden und dürftest leben. Da du aber des Affen Schwanz gesehen hast, müssen wir das furchtbarste Urteil verkünden. Und das lautet -Gehe in Freiheit.<

Als er diese Worte sprach, hörte ich, wie das komplizierte eiserne Riegelwerk, mit dem ich mich so abgemüht hatte, sich automatisch öffnete: und dann hörte ich, wie sich weit hinten in den dunklen Gängen, die ich durchschritten hatte, die Riegel der schweren Straßentür von selbst wieder lösten.

>Es hat keinen Sinn, um Gnade zu bitten; du mußt frei gehem, sagte der lächelnde Mann. >Von jetzt an wird ein Haar dich wie ein Schwert schneiden, und ein Hauch dich wie eine Natter stechen; Waffen werden wider dich aus dem Nichts kommen; und du sollst viele Male sterben.< Und damit verschluckte ihn die Wand erneut.«  - G. K. Chesterton, Der Salat von Oberst Cray. In: G.K.C., Father browns Weisheit. Zürich 1991

 

Affe Schwanz

 

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