ffenliebe
Meine Tante war eine große Freundin vom Trunk, und diese
Neigung ging so weit, daß sie sich nicht nur oft schnurrig machte,
sondern auch dann und wann recht derb besoff. Mein Vater schloß also,
wenn er mit meiner Mutter über Feld ging, den Keller zu und ließ der
Tante bloß ihr Bestimmtes. Diese machte aber die Entdeckung, daß eins
von den Kellerfenstern ohne eiserne Barren und bloß mit einem hölzernen
Gitter verwahrt war. Das Gitter konnte leicht weggenommen werden; ich
mußte mich also an einem oben befestigten Seile herablassen. Inwendig
öffnete ich sodann die Kellertür, und Mamsell Tante konnte sich nach
Herzenslust Wein holen. Für sie selbst hätte es hingehen mögen, denn sie
war einmal – wie die meisten Frauenzimmer in der Pfalz – ans Trinken
gewöhnt; daß sie aber auch mich, einen Knaben von sechs Jahren, zum
Weintrinken anfeuerte, das war im höchsten Grade unrecht. Ich würde
sagen, daß es schändlich war, weil sie dadurch den Grund zu vielen
meiner folgenden Unfälle gelegt hat; aber ihre Affenliebe zu mir ließ
sie bloß auf Mittel sinnen, wie sie mir Vergnügen machen könnte; an
nachteilige Folgen dachte sie nicht. - F.C. Laukhards, vorzeiten Magister der Philosophie und jetzt Musketiers
unter dem Thaddenschen Regiment zu Halle, Leben und Schicksale, von ihm selbst
beschrieben und zur Warnung für Eltern und studierende Jünglinge herausgegeben.
Fünf Teile, 1792–1802
Affenliebe (2)
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