chseln  Die Mannsprächtige ist eine Kurvenblüte und stellt sich gern auf. Da steht sie, hebt den Arm langsam hoch und hält ihn mit wohleinstudierter Geste oben. Wenn alles geblendet die Augen schließt, läßt sie ihn, etwas rascher, fallen. Dann blickt sie in die Ferne, als wäre niemand da, dreht sich um 180 Grad herum, hebt, noch langsamer, den anderen Arm hoch und fingert versonnen an ihrer Frisur, die nicht weniger gepflegt ist als ihre Achseln. 

Sie sagt kein Wort, was könnte sie schon sagen, das ihre Pracht erhöht, sie schweigt und läßt tief blicken. Im Privatleben heißt sie Frau Achselglanz, wann war je ein Name so angemessen. Wo immer sie sich findet, unter Leuten oder zu Hause, sie wird es nicht müde, dazustehen, diese Figur! und bald den linken, bald den rechten Arm hochzuheben. Es ist zu betonen, daß sie das auch zu Hause tut, auch ganz allein vor ihrem Spiegel.

Sie tut es für sich, hat sie selbst gesagt, der einzige Satz, der von ihr überliefert ist, es gehört viel Anmaßung dazu, sie als Mannsprächtige zu bezeichnen. Bei Tag ist sie ruhig, da kann sie stehen und sich ihrer gehobenen Arme unaufhörlich erfreuen. Nachts ist es schwerer, sie träumt nicht immer von sich und sie mag sich nicht vergessen. So schläft sie unruhig, sie schläft bei Licht. Von Zeit zu Zeit erwacht sie, gleitet vom Lager — schon sieht sie sich, schon hebt sie den Arm, schon strahlt ihre Achsel, schon blickt sie in die Ferne. Dann legt sie sich, halbwegs beruhigt, wieder schlafen. Wenn ihr das nicht genügt, kommt der andere Arm an die Reihe.

Soll man sich wundern, daß viele Männer hinter ihren Achseln her sind? Doch sie bemerkt keinen; sie ist gefeit, was kann sie dafür, daß Männer ihre Pracht mißdeuten. Was um seiner selbst willen da ist, beziehen sie auf sich, ist es denn die Schuld der Mannsprächtigen, daß sie so gebaut ist? Sie hat auf ihren Teint zu achten, dem Liebe nicht guttut. Das Vollkommene gehört niemandem und erfordert Distanz, darum, nur darum blickt sie in die Ferne.

Frau Achselglanz lebt allein und duldet weder Schoßhund noch Katze, die ja doch nicht erfassen würden, wer sie ist; unvorstellbar wäre ihr ein Kind, für das sie sich bücken müßte. Auch wenn sie es hochheben würde, es vermöchte sie ja doch nicht zu sehen und was verstünde es schon von ihren glänzenden Partien? Sie ist dazu verurteilt, allein zu leben, sie nimmt ihr Schicksal tapfer auf sich und niemand, niemand hat je eine Klage aus ihrem Mund vernommen.   - (can)

Körperteile, menschliche Schönheit
Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe
Verwandte Begriffe
Synonyme