Absenz  Gestern abend, während um mich herum eine öde Unterhaltung geführt wurde und ich, obwohl ich zuhörte, schmerzlichen Gedanken nachging, fühlte ich in meiner Brust plötzlich eine Art Flattern, eine Fluchtbewegung, so als hätte sich mein Herz einen Weg gebahnt und flöge in hohem Flug davon, weit fort. Eine »Absenz«, wie es in meinem alten Wörterbuch hieße, gemeinhin «Ohnmacht« genannt. Und tatsächlich war alles um mich her plötzlich abwesend, verschwunden, oder aber meine Sinneswahrnehmungen hatten sich verflüchtigt. Die Stimmen verwandelten sich in ein Summen und verstummten dann ganz, Menschen und Gegenstände schienen sich flach gegen eine opalisierende Wand zu drücken und sich in ihr aufzulösen. Aber einen Augenblick lang war alles klar und nichts mehr schmerzlich. Dann verspürte ich einen kleinen Stoß, und die Öffnung schloß sich wieder. Das Summen kehrte wieder, die Stimmen kehrten wieder. Die öden Gespräche kehrten wieder. Mich überkamen wieder die schmerzlichen Gedanken. (Beim Schreiben versuche ich, diesen Augenblick des Glücks noch einmal zu erleben und auszudehnen. Es gelingt mir nicht. Der Beweis dafür ist das absolut unangemessene Wort, auf das ich nicht hatte verfallen und hereinfallen dürfen: das Wort Glück.)   - Leonardo Sciascia, Schwarz auf schwarz. München 1991 (dtv 11328, zuerst 1979)
 
 

Augenblick Abwesenheit

 

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