bschuppen  Jahre später betrat Sengle mit Nosocome das Kinderhospital. Er trug, wie sein Kamerad, einen langen Assistenzarztkittel, der einer Soldatenjacke glich; und sie gingen zunächst bis zu Nosocomes Saal durch, an den Treppenbiegungen von Krankenschwestern geneckt. In allen Betten blickten kleine Mädchen starr vor sich hin, wie es der Kranken oberste Pflicht ist; und in einem Bett in der Mitte war eine große Puppe, wohl etwas größer als die kleinen Mädchen, die einzige, die mit aufgewecktem Blick den Besuchern folgte, wenigstens so wie ein Portrait.

In einem Saal von kleinen Jungen nahm Sengle ein Skalpell, und Nosocome fragte die Krankenschwester, ob unter den Kranken einer sei, der gut abschuppe. Sie ließ die rechte Seite vom Gitterbett eines kleinen vierjährigen Jungen herunter, schlug die Decke zurück und streifte das Hemd hoch. Als Sengle ihm das Skalpell am Bauch ansetzte, sagte der Kleine, anderwärtigen Bildern nachhängend im Inneren seines durchscheinenden Kopfs:

»Sie werden mir wehtun, Monsieur.«

Nosocome sagte ein paar abgedroschene gute Worte, und Sengle hob mit Barbiergebärden an, die kleinen brüchigen Schuppen auf der rechten Seite des Bauches zur Leiste hin abzuschaben, und sammelte sie in einem Briefumschlag.

Die Krankenschwester öffnete das andere eiserne Schiebegitter des praktisch gebauten Bettes, und es wurden auch die linken Schuppen eingesammelt.

»Wissen Sie, Madame«, sagte Nosocome, »es ist nicht nötig, daß Sie dem Chef sagen, daß der fremde Doktor Schuppen gesammelt hat; es geht um wissenschaftliche Untersuchungen des Scharlachbazillus, über die nicht groß geplaudert werden soll.«

Mit seiner schuppenbestäubten Klaue kniff Sengle in einer vergewaltigungsähnlichen Geste der Krankenschwester in die Brust; sie lachte und begriff nicht. Dann gingen sie fort, nachdem sie sich die Hände gewaschen hatten. - Alfred Jarry, Tage und Nächte. Roman eines Deserteurs. Frankfurt am Main 1998 (zuerst 1897)