breagieren     Wir haben tüchtige Staatsanwälte in der Schweiz, wir haben andere, bei denen ich, müßte ich sie einmal begutachten, ganz unvoreingenommen von moralischer Debilität sprechen würde. Leute, bei denen es klar auf der Hand liegt, daß sie sich mit Verbrechen nur deshalb beschäftigen, damit sie nicht selbst Verbrecher werden. Wir nennen das in unserer Fachsprache: abreagieren ... Vielleicht kennen Sie auch derartige Typen. Nun, der Bezirksanwalt in jener Industriestadt gehörte zu dieser Sorte. Dick, mit gekräuselten Haaren auf einem spitz zulaufenden Schädel, die Haare eingefettet — ich rieche noch jetzt den Geruch von Brillantine — Sammler von Kupferstichen, und erotisch tätiger als beruflich. Bei jedem Angeklagten, es mochte sich um einen Einbrecher, eine Ladendiebin, einen Taschendieb oder eine Hochstaplerin handeln, erkundigte er sich zuerst nach den Liebeserlebnissen der Vorgeführten. Dicke Lippen, immer feucht.

Wenn Sie sich über das Interesse gewundert hätten, das er den Leintuchgeheimnissen entgegenbrachte, so hätte er Ihnen geantwortet, er tue dies aus psychologischem Interesse. Von den Ergebnissen einer modernen Schule ist ja allerhand in die Laienwelt durchgesickert. Die Juristen besuchen jetzt auch psychiatrische Vorlesungen, was dabei herauskommt, kann man sich lebhaft vorstellen: zum Beispiel solch ein Bezirksanwalt. Kr war schlecht auf den Pieterlen zu sprechen, das merkte ich gleich. Denn der Pieterlen hatte auf alle Alkovenfragen keine Antwort gegeben. Hingegen war der Herr Bezirksanwalt gut auf die Frau zu sprechen. Die hatte wahrscheinlich, verschüchtert, wie sie war, weniger Widerstand geleistet und allerhand ausgepackt, was für den Herrn Bezirksanwalt interessanter war als die Kaltschnäuzigkeit des Mannes.  - Friedrich Glauser, Matto regiert. In: F. G.: Kriminalromane. Berlin 1990 (zuerst ca. 1936)

Abreagieren (2)  Das anfänglich ängstlich unterwürfige Weibchen verliert mit der Furcht vor dem Männchen auch jede Hemmung, aggressive Verhaltensweisen zu zeigen. Plötzlich ist es mit ihrer vorherigen Schüchternheit zu Ende, und sie steht frech und groß mitten im Revier ihres Mannes mit gespreizten Flossen, in vollem Imponiergehaben und in einem Prachtkleid, das sich bei den in Rede stehenden Arten von dem des Männchens kaum unterscheidet. Das Männchen wird, wie zu erwarten, böse, denn die Reizsituation, die von der imponierenden Gattin geboten wird, läßt ja nichts vermissen, was wir aus unseren Reiz-Analysen als kampfauslösende Schlüssel-Reize kennen. Der Mann fährt also auf seine Frau los, nimmt ebenfalls die Stellung des Breitseits-Imponierens an, und es sieht für Bruchteile von Sekunden so aus, als ob er sie rammen würde - und dann passiert das, was mich veranlaßt hat, dieses Buch zu schreiben. Das Männchen hält sich nicht oder nur Bruchteile von Sekunden mit dem Bedrohen des Weibchens auf, es könnte das gar nicht, es wäre zu erregt, es geht tatsächlich zum wütenden Angriff über - - - - aber nicht gegen seine Frau, sondern scharf an ihr vorüber gegen einen anderen Artgenossen, unter natürlichen Umständen regelmäßig gegen den Reviernachbarn!  - Konrad Lorenz, Das sogenannte Böse. Zur Naturgeschichte der Aggression. München 1974 (zuerst 1963)

 

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